Um harmonisch mit Hunden in unserer Gesellschaft zusammenleben zu können, ist es nötig gewisse Verhaltensregeln einzuhalten. Es ist nicht gewünscht, dass ein Hund – seiner Natur als Hetzjäger entsprechend – Radfahrer und Jogger jagt, Nachbars Kleintiere aus den Freiläufen frisst oder bei jedem Spaziergang wegläuft um ein wildes Abenteuer zu erleben. Es ist notwendig, dass wir Menschen hier regelnd eingreifen. Es gibt unzählige Tipps und Vorschläge wie man einen Hund erziehen sollte, teilweise ähneln sie sich, teilweise laufen sie völlig konträr.
Um beurteilen zu können ob eine Methode überhaupt von Erfolg gekrönt sein kann ist es wichtig sich darüber bewusst zu sein wie Hunde denken, verknüpfen und lernen. Hat man diese Grundsätze verinnerlicht so lernt man schnell die Spreu vom Weizen zu trennen in der schier unübersichtlichen Flut der verschiedenen Erziehungskonzepte.
Es gibt eine Vielzahl an Lernformen die im Umgang mit dem Hund von Bedeutung sind. Selten laufen sie in Reinform ab und oft sind die Übergänge fließend.
Wichtig ist es sich zu verinnerlichen, dass immer ein Lernprozess stattfindet. Ändert der Hund nach einem Training sein Verhalten so ist der Lernerfolg offensichtlich. Verändert er sein Verhalten jedoch nicht, so hat er ebenfalls gelernt! Er lernte – ob aus Überforderung, oder sonstigen methodischen Fehlern – da jenes Kommando nicht befolgt werden muss.
Man muss sich als Besitzer drüber im Klaren sein, dass immer ein Lernziel erreicht wird, auch wenn offensichtlich nichts zu sehen ist. Ist es nicht das Ziel welches wir uns wünschten, müssen wir uns überlegen, wo wir den Fehler machten.
Ursache und Wirkung dürfen nur 0,5 – 1 Sekunde auseinander liegen um vom Hund verknüpft werden zu können.
Die bedeutendsten Lernformen im alltäglichen Umgang mit dem Hund sind:
Prägung
Hierunter versteht man eine zeitlich begrenzte sensible Phase welche eine oft lebenslange Bevorzugung des Prägungsobjektes und eine zum späteren Zeitpunkt nur schwer veränderbare Orientierung beinhaltet. Die Hauptverantwortung für eine voll ausgenutzte Prägungsphase obliegt dem Züchter und dem neuen Besitzer in den ersten Tagen / Wochen nach dem Welpenkauf.
Hauptziel muss eine Prägung auf möglichst viele Umweltreize sein ohne eine Reizüberflutung des Welpen zu provozieren. Wird die Prägungsphase gut ausgenutzt so wird der Hund sich ein Leben lang auch völlig neuen Reizen gelassener gegenüber verhalten als ein nachlässig geprägter Hund.
Gewöhnung ( Habituation, Sensitivierung, Extinktion)
Die verschiedenen Gewöhnungsarten stellen einfache Lernformen dar. Rufen wir beispielsweise unseren Hund ohne dass sein Nichtbefolgen des Kommandos Folgen hat so wird die Bedeutung des Kommandos für den Hund immer schwächer.
Gleiches kennen Menschen die an einer Autobahn wohnen. Der Geräuschpegel ist ohne Bedeutung und wird bald nicht mehr wahrgenommen – sie gewöhnten sich an den Reiz. Gewöhnung kann ein wichtiger Bestandteil bei der Behandlung von Ängsten und Unsicherheiten sein, solange sie behutsam erfolgt. Wichtig dabei ist es jedoch erst nach der Gewöhnung eine Umkonditionierung vorzunehmen um den ursprünglich bedrohlichen und nun bedeutungslosen Reiz in einen positiven Reiz umzuwandeln.
Das genaue Gegenteil ist die Sensitivierung. Bekommt das Rufen des Hundes eine Bedeutung – beispielsweise weil ein Kommen des Hundes eine Belohnung hervorruft – so gewinnt der Reiz an Bedeutung. Er wird künftig mit erhöhter Aufmerksamkeit beantwortet. Ein hervorragendes Mittel zur Sensitivierung ist es immer neuartige Trainingssituationen zu schaffen um der Gewöhnung entgegenzuwirken und den Lernerfolg möglichst hoch zu halten.
Extinktion ist die (scheinbare) Löschung eines Verhaltens. Hunde sind Opportunisten und bezwecken mit Ihrem Verhalten stets etwas. Sei es den Hunger zu stillen, den Fremdling vor der Tür zu melden, auf den Sessel zu gelangen, sich selbst eine angenehme Erfahrung durch Endorphinausschüttung bei der Jagt zu verschaffen, .....Entfällt jedoch diese Bestätigung, führt das bisher erfolgreiche Verhalten nicht mehr zum Ziel so wird der Hund dies in Zukunft weniger zeigen.
Dies Verhalten ist jedoch nicht endgültig gelöscht. Sieht der Hund sich nach Wochen erneut einer Situation ausgesetzt in der er keine andere adäquate Lösung hat wird er das alte Verhalten verstärkt ausprobieren. Er hat ja gelernt dass der Erfolg der Methode sich abnutzte – logischerweise wird er das Verhalten nun mit besonderer Vehemenz zeigen. Bleibt man in diesen in immer größeren Abständen wiederkehrenden, als Löschungstrotz bezeichneten Phasen, konsequent hat man große Chancen das unerwünschte Verhalten dauerhaft abzustellen.
Räumliches Lernen
Räumliches Lernen ist in sofern für Hundetrainer oft fatal als das sie durch ein hohes Lerntempo ohne eigentliche Bestätigung gekennzeichnet sind.
Eine einzige spezifische Erfahrung reicht aus um aus unterschiedlichen Ortselementen Schlussfolgerungen über deren Beziehung zueinander gezogen werden.
Wichtig beim räumlichen lernen ist es die Ablenkungen während der Übung fortschrittsgemäß zu steigern und zu generalisieren.
Wichtig ist es, dass der Hund sich auf dem Übungsgelände sicher fühlt – es sollte ihm unbedingt vorher erlaubt werden sich dort umzusehen und Bekanntschaften zu sammeln, bevor man ein optimales Lernergebnis beim Einstudieren neuer Übungen erwarten darf.
Nachahmung
Nachahmungslernen ist unter Hunden weit verbreitet und hat die Tendenz motorische oder soziale Verhaltensweisen eines Vorbildes zu kopieren.
Untersuchungen ergaben das rangniedere Hunde eher zur Nachahmung neigen als Ranghöhere.
Nachahmung begegnet uns sowohl im positiven als auch im negativen Sinne. Zum einen kann eine Antipathie gegen Objekte sich von einem auf den anderen Hund übertragen – zum anderen nutzt man es beispielsweise in der Hütehundeausbildung um den Lernfortschritt zu beschleunigen.
Assoziationslernen
Assotiationslernen ist wohl eine der wichtigsten Lernformen unter Hunden. Assotiationslernen ist eine typische „ wenn ich dies wahrnehme oder tue – geschieht unausweichlich jenes “ Verknüpfung.
Was uns den Umgang mit dem Assotiationslernen so schwer macht ist unsere völlig andere Umweltwahrnehmung. Wir sind Augentiere, Hunde nehmen ihre Welt wesentlich stärker geruchlich wahr und selbst wenn wir uns auf die Augen beschränken, können wir sicher sein dass der Hund das Leckerchen welches wir ihm für ein korrekt ausgeführtes „ PLATZ “ geben wirklich auf seine vollzogenen Bewegungen und nicht auf das Kaninchen am Rande des Übungsplatzes bezieht?
Die hundliche Neigung zum Assotiationslernen ist eine der Neigungen welche es uns oft besonders schwer machen.
Klassische Konditionierung
Dieses Lernverhalten welches eng zum Assotiationsverhalten gehört ist wurde von IWAN PAWLOW 1902 entdeckt. Klassische Konditionierung beinhaltet einen unbedingten Reiz, welcher zuverlässig eine unbewusste, reflexartige Reaktion hervorruft und die zeitlich nahe Darbietung eines zweiten Reizes der diese Reaktion ursprünglich nicht hervorruft. Prominentes Beispiel ist das beliebte Clickertraining bei Hunden in seiner Grundform.
Durch gleichzeitiges Klickern und Füttern des Hundes wird nach gewisser Zeit schon das Clickern selbst die Futtererwartung auslösen. Ohne diese Konditionierung auf das Klickgeräusch wäre es jedoch für den Hund bedeutungslos.
Operante Konditionierung
Operante Konditionierung wurde 1937 von BURRHUS F. SKINNER entdeckt. Im Unterschied zur klassischen Konditionierung werden bei der operanten Konditionierung nicht unbewusste Reaktionen verknüpft, sondern zufällige, bewusste oder freiwillige Aktivitäten verknüpft.
Ist das erwünschte Endziel einer operanten Konditionierung ein komplexes, aus vielen Bestandteilen zusammengesetztes Verhalten so sollte man die einzelnen Unterschritte dieser Verhaltenskette aufeinander aufbauend trainieren (Shaping). Auch dies wird im Clickertraining eingesetzt.
Instrumentelle Konditionierung
Der Unterschied zur Operanten Konditionierung besteht darin, dass es dem Hund nicht freisteht das gewünschte Verhalten auszuführen oder zu Unterlassen. Das gewünschte Lernverhalten kann nicht ständig in Teilschritten, sondern ausschließlich innerhalb des gesamten Übungsdurchganges wiederholt werden. Beispiel ist das PLATZ bei einem Hund während der Besitzer sich entfernt. Es ist dem Hund nicht möglich dem Besitzer zu folgen und auf halber Strecke abzulegen – er wird – in dieser Form der Konditionierung - immer vom Besitzer auf den Ausgangspunkt zurückgebracht werden.
Verstärkungsformen
Auch die Verstärkung bietet mächtige Hilfsmittel in der Hundeerziehung. Die wichtigsten Verstärkungsformen sind folgende:
1) Gezielte Verstärkung von unvereinbarem Verhalten:
Hier wird beispielsweise einem ziehendem Hund das Kommando Platz gegeben. Zweck:
Ein liegender Hund zieht nicht. Einem andere Hunde beißenden Hund wird beigebracht einen Ball im Fang zu tragen - ein tragender Hund hat den Fang nicht frei,
2) Gezielte Verstärkung von Alternativverhalten:
Wird genommen wenn kein unvereinbares Verhalten möglich ist. Beispiel: Ein Kläffender Hund wird durch die Konzentration auf einen neuen Befehl vom Verhalten abgehalten. Nach und nach verbindet sich der Reiz mit dem Alternativverhalten.
3) Gezielte Verstärkung von verschiedenem Verhalten:
Hier geht es darum das Nichtauftreten einer Verhaltensweise zu Belohnen. Beispiel: Einem auf andere Hunde aggressiv reagierendem Hund wird ein Leckerli vor die Nase gehalten welches er erhält wenn er sich ruhig verhält.
4) Gezielte Verstärkung von herausragendem Verhalten:
Hier geht es drum das Gelernte zu festigen und dem Hund das gewohnte Leckerli nur noch zu geben wenn ein Befehl besonders schnell oder sauber durchgeführt wird.
Aus den oben genannten Beispielen wird deutlich wie komplex hundliches Lernverhalten ist und das alle Allheilmittel in der Hundeerziehung durchaus erfolgversprechend sein können aber unzählige Möglichkeiten verschenken.
So gut beispielsweise Clickern ist – als Religion und isoliert als alleinige Erziehungsform beschneidet es den Hund in seinen Möglichkeiten.
Text: Andreas Noll / Lengerich